Damit Streitigkeiten auf dem Schulhof besser geklärt werden können, werden wir nun das Streitschlichtungskonzept “Die Friedenstreppe/ Friedensbrücke” an unserer Schule nutzen. Dazu werden wir die Kinder des Jahrgangs vier in den kommenden Wochen ausbilden.
Hier ein paar Informationen zum Streitlichtungskonzept:
Die Friedenstreppe / Friedensbrücke
Warum?
Ziel ist es, alle Beteiligten mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen und respektvoll zu behandeln – egal wie offensichtlich die Schuldfrage ist.
Mit der Friedenstreppe/Friedensbrücke können Konflikte fair, gewaltfrei, selbstständig und ohne Verlierer gelöst werden.
Die Kinder lernen, dass ein Konflikt immer zwei Seiten hat. Sie lernen mit Streitsituationen konstruktiv umzugehen und ihre Gefühle verständlich auszudrücken. Bei der Friedenstreppe/Friedensbrücke wird den anderen aktiv zugehört und empathisch und tolerant reagiert.
Wie?
Die Friedenstreppe / Friedensbrücke verläuft in vier festgelegten Schritten, in denen die Kinder aufeinander zugehen und sich mit ihrem Problem beschäftigen. (Dabei kann eine Stufenkarte auf den Boden gelegt und der Schritt auch physisch getan.)
Der Schwerpunkt liegt auf der Lösung des Konflikts, an der dann gemeinsam gearbeitet wird.
Stufe 1: Was aus meiner Sicht passiert ist
Die Kinder (Schülerpolizei) legen fest, wer zuerst seine Sicht des Geschehenen erzählt. Danach darf das andere Kind seine Sichtweise schildern.
Beim Erzählen sollen die Kinder „Ich-Botschaften“ verwenden. Sie erzählen, wie sie den Streit erlebt haben und welche Gefühle sie dabei hatten. Ggf. kann der Streitschlichter/die Schülerpolizei nachfragen, wie sie sich gefühlt haben. Das Kind, das gerade nicht redet, hat die Aufgabe, aufmerksam zuzuhören.
Sind beide fertig, stellen sie sich auf die erste Stufe und kommen sich so räumlich schon etwas näher.
- Die beiden Konfliktparteien berichten (möglichst objektiv), was wirklich passiert ist – wie fotografiert.
- „Immer“ und „nie“ gibt es nicht! (Kein: Immer schubst du mich! Nie lassen die mich mitspielen!)
- Wir sagen genau, wann und wie oft es passiert ist.
- Alle Sätze fangen mit „Ich…“ an. (Ich habe gesehen, dass du mich beim Anstellen geschubst hast.)
Stufe 2: Wie fühlst du dich?
Beim nächsten Schritt dürfen alle Beteiligten mitteilen, wie sie sich fühlen – eventuell noch mit Begründung. (Ich bin traurig, weil ich nicht mitspielen durfte……) Hier braucht es oft Formulierungshilfen durch die Lehrkraft. Auf der Rückseite der zugehörigen Stufenkarte kann man mögliche Adjektive bereithalten.
Stufe 3: Was wünschst du dir?
Hier ist der Ort, an dem alle Beteiligten sagen dürfen, was sie sich wünschen oder auch gewünscht hätten (Ich wünsche mir eine Erklärung / Spielzeit / Hilfe von einem Erwachsenen…). Auch hier muss anfangs geholfen werden. Für Kinder ist das sehr schwer zu formulieren.
Stufe 4: Welche Lösung findet ihr?
Bewusst ist diese Stufenkarte nur noch einmal vorhanden. Hier treffen sich die Parteien in der Mitte der Brücke. Nun vereinbaren sie gemeinsam, wie sie den Konflikt beilegen können: Zeit miteinander verbringen, Abstand halten, Spielzeit, Teilen, ein Bild als Entschuldigung malen, einen Brief schreiben…
zu 1. Dadurch, dass jede*r sicher sein kann, zu Wort zu kommen und seine Sicht der Dinge darzustellen, bringt man schon mal etwas Ruhe in die aufgewühlten Gemüter. Alle Sätze beginnen mit „Ich…“, sodass es schon schwierig ist, reine Anschuldigungen oder Vorwürfe zu formulieren. Das nimmt sofort „Dampf aus dem Kessel“ und die Kontrahenten fühlen sich schon bei der Darstellung des Sachverhaltes gleich weniger angegriffen.
Die OMA-Regel kann hilfreich sein:
- O = Ohren: Wir hören zu und lassen uns gegenseitig ausreden.
- M = Mund: Wir sprechen freundlich miteinander, ohne Schimpfwörter.
- A = Augen: Wir schauen uns dabei in die Augen.
Meist ist nach diesem Schritt schon der erste Ärger verraucht, denn alle werden angehört – und zwar möglichst neutral, ohne Vorverurteilungen!
zu 2. Das ist vielleicht der schwierigste Schritt, bei dem es anfangs unbedingt erforderlich ist, dass der*die Lehrer*in beim Formulieren hilft: Das Benennen der Gefühle, die die Streitenden haben. Gefühle zu erspüren und zu verbalisieren, damit sind nicht nur Kinder oft überfordert. Auf der Rückseite der Stufenkarte kann man dafür auch passende Adjektive zur Verfügung stellen (siehe Download). Wenn die Kinder die Friedensbrücke häufig anwenden, wächst auch die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen.
zu 3. Alle Parteien sagen, was sie sich gewünscht hätten oder jetzt wünschen. Auch hier sind Vorschläge und Hilfen seitens der Lehrkraft nötig. Dabei kommen interessante Wünsche zutage: eine Erklärung für das Verhalten, in Ruhe gelassen zu werden, mitspielen zu dürfen – auch hier darf man kreativ sein und Neues ausprobieren. Hier können aber auch die erprobten Vorschläge auf der Rückseite der Stufenkarte (siehe Download) helfen.
Die Anwendung der Friedenstreppe / Friedensbrücke kann sehr emotional und persönlich sein. Es erfordert deshalb ein Höchstmaß an Sensibilität und Diskretion von uns Lehrer*innen. Die Kinder öffnen sich und werden damit sehr verletzlich. Sie müssen sich unter allen Umständen darauf verlassen können, dass sie sicher sind vor jeglicher Herabwürdigung (Auslachen, Häme, abfällige Bemerkungen, Besserwisserei…) – und das ist das einzig Schwierige an dieser Methode.
Um eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit in der Schule zu schaffen, gibt es zwei sehr strikte Regeln:
- Es wird niemand ausgelacht
- Es wird nicht über jemanden geredet, der nicht da ist.
Das sind zwei simple Grundsätze, die aber in sehr kurzer Zeit eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen.